Eröffnung in der Frankfurter Schirn: "Glanz & Elend in der Weimarer Republik"

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Dodo, Logenlogik, Für die Zeitschrift ULK, 1929,
Gouache über
Bleistift auf Karton, 40 x 30 cm, Privatsammlung Hamburg, © Krümmer Fine Art

Am 26. Oktober eröffnete in der Schirn Kunsthalle Frankfurt die Ausstellung "Glanz und Elend in der Weimarer Republik". Soziale Spannungen, politische Kämpfe, gesellschaftliche Umbrüche, aber auch künstlerische Revolutionen und Neuerungen charakterisieren die Weimarer Republik. Direkte, ironische, wütende, anklagende und oftmals auch prophetische Werke verdeutlichen den Kampf um die Demokratie und zeichnen das Bild einer Gesellschaft in der Krise und im Übergang. Die Probleme der Zeit bewegten zahlreiche Künstlerinnen und Künstler zu einer Spiegelung der Wirklichkeit und des Alltags, auf der Suche nach einem neuen Realismus oder „Naturalismus“. Mit individueller Handschrift hielten sie die Geschichten ihrer Zeitgenossen einprägsam fest: Die Verarbeitung der Folgen des Ersten Weltkriegs mit Darstellungen von versehrten Soldaten und von Kriegsgewinnlern“, die Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die Großstadt mit ihrer Vergnügungsindustrie und die zunehmende Prostitution, die politischen Unruhen und wirtschaftlichen Abgründe werden in der Ausstellung ebenso verhandelt wie das Rollenbild der Neuen Frau, die Debatten um die Paragrafen 175 und 218 –die Strafbarkeit von Homosexualität und Abtreibung –, die sozialen Veränderungen durch die Industrialisierung oder die wachsende Begeisterung für den Sport.

In der Zusammenschau entsteht ein eindrückliches Panorama einer Zeit, deren Themen auch nach 100 Jahren nichts an Aktualität und Diskussionspotenzial verloren haben.

Im Fokus der Ausstellung steht das Unbehagen der Epoche, das sich in den Motiven und Inhalten wie auch in einem breiten stilistischen Spektrum zeigt. In thematischen Räumen führt sie Darstellungen und Szenen aus Berlin, Dresden, Leipzig, Rostock, Stuttgart, Karlsruhe, München und Hannover zusammen, die bislang eher getrennt voneinander betrachtet wurden und eher dem „veristischen“ Flügel der Neuen Sachlichkeit zuzuordnen sind. Die Schirn vereint 190 Gemälde, Grafiken und Skulpturen von 62 bekannten sowie bislang weniger beachteten Künstlerinnen und Künstlern.

Dr. Andreas Braune war in der Konzeption der Ausstellung beratend für die Kuratorin Ingrid Pfeiffer tätig, hat einen Beitrag zum umfangreichen Katalog der Ausstellung beigesteuert und diskutierte anlässlich der Eröffnung der Ausstellung auf einer Podiumsdiskussion über politische Kunst in der Weimarer Republik und die Aktualität der in den Kunstwerken behandelten Themen.

Ein Digitorial gibt einen Vorgeschmack auf die Ausstellung, die noch bis zum 25. Februrar 2018 in Frankfurt zu sehen ist.

Alle weiteren Informationen zur Ausstellung finden Sie hier.

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Georg Scholz, Von kommenden Dingen, 1922, Öl auf Karton, 74,9 cm x 96,9 cm,
Neue Galerie New York, Foto: bpk / Neue Galerie New York / Art Resource, NY

Auf der linken Seite neben Walther Rathenau (1867-1922) steht der Gewerkschaftsführer Carl Legien (1861-1920), rechts neben dem 1922 ermoderten Reichsaußenminister der Industrielle Hugo Stinnes (1870-1924). Der Titel des Bildes spielt auf das gleichnamige Buch Rathenaus an, das schon im  dritten Kriegsjahr 1917 erschienen war und für eine politische und ökonomische Modernisierung in der Nachkriegsordnung plädierte. Die Gesamtkomposition hingegen spielt auf das Stinnes-Legien-Abkommen an (das Legien möglicherweise in den Händen hält). Es wurde schon wenige Tage nach der Novemberrevolution zwischen Vertretern der Industrie und mehreren Gewerkschaften geschlossen und besiegelte verschiedene Grundprinzipien moderner Sozialpartnerschaft (Mitbestimmung, Tarifpartnerschaft, Achtstundentag). Schon während der Revolution und auch danach wurde das Abkommen von linken Kritikern als ein unnötiges und zu weit gehendes Entgegenkommen der Arbeiterbewegung gegenüber der Arbeitgeberseite kritisiert - hatte man sich doch in der Revolution die Sozialisierung von Schlüsselindustrien oder gar eine genuin proletarische Revolution erhofft. Dieser Kritik scheint sich Scholz hier anzuschließen, wobei die antisemitischen Stereotype in der Darstellung der 'Vertreter des Kpitals' ins Auge stechen.