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Preisträger*innen 2016

Preisträger des Forschungspreises

Die Preisträger Dr. Daniel Münzner, Florian Jürgen Schreiner, B.A., Dr. Marcel Böhles und Dr. Volker Köhler (v.l.n.r.)

mit den Laudatoren und Gratulanten Prof. Dr. Ursula Büttner, Prof. Dr. Michael Dreyer, Carsten Schneider, MdB, Prof. Dr. Kathrin Groh, Dr. Andreas Braune, Prof. Dr. Alexander Gallus, Oberbürgermeister Stefan Wolf und Thomas Friebel (Auswärtiges Amt), 2. Reihe v.l.n.r.

2016 haben die Forschungsstelle Weimarer Republik und der Verein Weimarer Republik zum ersten Mal und zum Teil in Kooperation mit der Hugo-Preuß-Stiftung Preise für Forschungsarbeiten zur Weimarer Republik ausgeschrieben. Sie wurden am 9.12.2016 auf einer Festveranstaltung im Rahmen der internationalen Konferenz "Weimar und globaler politischer Wandel" verliehen.

Die Resonanz auf die Auslobung der Preise war besonders in der Kategorie des Friedrich-Ebert-Preises für die besten Dissertationen und Habilitationen sehr hoch. Es wurden so viele preiswürdige Arbeiten aus den Jahren 2014 bis 2016 eingereicht, dass sich die Jury dafür entschied, den Preis zu teilen und an drei Preisträger mit herausragenden Arbeiten zu vergeben. Während daneben der Matthias-Erzberger-Preis für die beste Bachelorarbeit auch verliehen werden konnte, kam die gemeinsame Jury der Forschungsstelle und der Hugo-Preuß-Stiftung, die gemeinsam den Hugo-Preuß-Preis für die beste Masterarbeit verleihen, zu dem Schluss, dass keine der eingereichten Arbeiten die ausgezeichnete Leistung darstellte, die mit der ersten Preisvergabe zu verbinden sei.

Die Preise gingen im Jahr 2016 an:

Friedrich-Ebert-Preis für die beste Dissertation oder Habilitation

 

 Marcel Böhles

Publikation Böhles

 

 

 

 

 

 

 

 

 

veröffentlicht im Klartext Verlag Essen

Dr. phil. Marcel Böhles:

Im Gleichschritt für die Republik. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold im Südwesten (1924-1933)

Dissertation an der Universität Heidelberg, betreut von Edgar Wolfrum und Frank Engehausen

Aus der Laudatio der Jury:

Der Autor sieht das Reichbanner als eine Organisation, die „das gern gebrauchte Schlagwort von der „Republik ohne Republikaner“ eindrucksvoll widerlegte. Als eine überparteiliche Sammlungsbewegung der drei „Weimarer“ Koalitionsparteien SPD, Zentrum und DDP stellte das Reichsbanner bis 1933 den einzigen ernstzunehmenden Versuch dar, in der Weimarer Republik überzeugte Republikaner und Demokraten aus unterschiedlichen politischen Lagern unter einem Dach zu vereinen. In einer Zeit heute kaum noch vorstellbarer Schärfe in den politischen Auseinandersetzungen – bei gleichzeitiger Bedrohung des Staates durch Extremisten von rechts und links – überwanden Anhänger der Sozialdemokratie, des politischen Katholizismus und des Linksliberalismus ihre ideologischen Vorbehalte und Gegensätze, um sich den gemeinsamen Feinden der jungen Weimarer Demokratie entgegenzustellen.“

Die Arbeit ist reich an lokalen Details, aber noch reicher an strukturellen und übergreifenden Analysen, die deutlich machen, daß der Autor dieser historischen Studie auch Politikwissenschaftler ist… Symbolpolitik und Erinnerungskultur, Strukturanalyse und Ideengeschichte vereinigen sich zu einer beeindruckenden Darstellung einer vergessenen Organisation, die einen letztlich erfolglosen Kampf für die Bewahrung der liberalen Demokratie führte.

Marcel Böhles hat diesen Kampf lebendig und differenziert, mit klarem Blick für die Besonderheit wie für die Struktur untersucht und dargestellt.

 

 

Volker Köhler.

Dr. phil. Volker Köhler:

Die Mikropolitik der Genossen, Freunde und Junker. Zur Bedeutung personaler Verbindungen im politischen Handeln während der Weimarer Republik

Dissertation an der TU Darmstadt, betreut von Jens Ivo Engels und Andreas Fahrmeir

Aus der Laudatio der Jury:

Volker Köhler ist die Erprobung der „Mikropolitik der Genossen, Freunde und Junker“ – so der Haupttitel seiner Darmstädter Dissertation – über die „Bedeutung personaler Verbindungen im politischen Handeln während der Weimarer Republik“ in methodischer wie empirischer Hinsicht gelungen. Er nimmt die personale Dimension von Geschichte ernst, ohne in den Modus einer bloß anekdotenreichen Biographik zu verfallen, und fragt nach ihrem Einfluss bei der Vergabe staatlicher und kommunaler Ressourcen in Abgrenzung oder in Vermischung mit strukturellen Gegebenheiten und „Sachzwängen“. Es ist eine der Stärken dieser Studie, dass er solche Kontexte oder zusätzliche Entscheidungsfaktoren ebenfalls berücksichtigt und gewichtet, seinen mikropolitischen Ansatz mithin nicht absolut setzt, sondern eher als ergänzenden Erklärungsansatz zur Geltung bringt.

Gaben, Geschenke, Gesten und Gefälligkeiten, Freund- und Feindschaften, Hierarchien überwindende Mittlerfiguren, Netzwerke quer zu institutionellen Strukturen, personale Beziehungen und informelle Praktiken, die eine mikropolitische Kulturgeschichtsschreibung ausmachen, spielten während der gesamten Weimarer Geschichte eine bislang unterschätzte Rolle, die es weiter zu erforschen gilt. Gerade zur Erklärung von Mechanismen in einer zerklüfteten politischen Landschaft wie zu Weimars Zeiten und angesichts eines Mangels an durchdringenden republikanischen Legitimationsmustern und Leitfiguren, kommt – dafür sensibilisiert Köhlers innovative Pionierstudie – mikropolitischen Betrachtungen ein hoher Rang zu.

 

Daniel Münzner

Cover Kurt Hiller

 

 

 

 

 

 

 

 

veröffentlicht im Wallstein Verlag Göttingen

Dr. phil. Daniel Münzner:

Kurt Hiller. Der Intellektuelle gegen Staat und Demokratie, Staat und Demokratie gegen den Intellektuellen

Dissertation an der Universität Rostock unter Betreuung von Alexander Gallus, Stefan Creuzberger und Axel Schildt

Aus der Laudatio der Jury:

Wer als ausdrucksstarker linker, intellektueller, pazifistischer, republikanischer, homosexueller Jude in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebt, hat entweder eine sehr kurze Biographie oder eine sehr interessante. Hiller ist es gelungen, letztere zu haben, und Münzner wiederum ist es gelungen, die beinahe unendlich vielfältigen Facetten dieses Lebens einzufangen und sie jeweils in Bezug auf die ideengeschichtlichen Strömungen und Hintergründe der Zeit darzustellen. Münzner spricht von dem „Zusammenhang zwischen der Demokratiefeindschaft deutscher Linksintellektueller und ihren Ausgrenzungserfahrungen“, und beides wird strukturell miteinander in Beziehung gesetzt – wobei die Demokratieferne auch aus den Ausgrenzungserfahrungen, die Hiller reichlich sammeln musste, erklärt wird. Die Arbeit ist damit auch mehr als die Biographie eines Individuums, nämlich zugleich eine vergleichende Strukturgeschichte der beiden deutschen Demokratien des 20. Jahrhunderts.

Münzners intellektuelle Biographie Hillers ist ein prachtvolles Beispiel dafür, welche Individualitäten jenseits der bekanntesten Protagonisten immer noch im Dunkel der Weimarer Geschichte schlummern. Ihm ist es gelungen, einen von ihnen an das Licht zu holen. Die souveräne und differenzierte Art, in der ein Intellektueller in seinen vielfältigen Milieus, Engagements und historischen Umständen erscheint, macht diese Arbeit und ihren Autor zu einem mehr als berechtigten Träger des Friedrich-Ebert-Preises.

Matthias-Erzberger-Preis für die beste Bachelorarbeit

 

Florian Jürgen Schreiner

Florian Jürgen Schreiner:

Kommilitonen unter Waffen. Studenten und Freiwilligenverbände in der Nachkriegszeit des Ersten Weltkriegs

Bachelorarbeit an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg unter Betreung von Georg Seiderer

Aus der Laudatio der Jury:

In einer regionalgeschichtlich angelegten Studie widmet sich Florian Jürgen Schreiner mit den Freikorps jenen Verbänden, die im Zuge der Demobilisierung der Frontsoldaten teils bewusst gebildet wurden, um die innere Ordnung in der Umbruchsphase und in der jungen Republik zu sichern, die teils aber auch im paramilitärischen und halblegalen, teils im offen republikfeindlichen Bereich agierten. Sie changierten zwischen „staatlicher Schutztruppe und paramilitärischer Miliz.“

Herr Schreiner weist mit seiner Bachelorarbeit eindrucksvoll nach, dass auch in dieser Kategorie akademischer Qualifikationsschriften eigenständige und wertvolle Forschungsarbeiten verfasst werden. Seine souveräne Untersuchung basiert auf einem selbständig erschlossenen Quellenmaterial, schafft neue Erkenntnisse für die Untersuchung der Frühphase der Weimarer Republik und ihr regionalgeschichtlicher Zuschnitt ist hervorragend in die überregionalen Entwicklungen und den breiteren Forschungskontext eingebettet. Die Jury gratuliert zu dieser hervorragenden Leistung und verleiht Florian Jürgen Schreiner daher mit großer Freude den Matthias-Erzberger-Preis 2016.