Fachtagung 2023

Ansätze, Methoden und Forschungsfelder
einer interdisziplinären Demokratiegeschichte

Weimar, 23.-25. Februar 2023

Kulturzentrum Mon Ami, Goetheplatz 11, 99423 Weimar

In den vergangenen Jahren hat sich das Feld der Demokratiegeschichte zu einem immer stärker be­ach­te­ten und diskutierten Bereich öffentlicher und politischer Aufmerksamkeit entwickelt. Zuletzt mündete dies in der Gründung der Bundesstiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte, die in diesem Jahr ihre Ar­beit aufnehmen soll. Ohne den erinnerungspolitischen Konsens an die nationalsozialistische Herrschaft, den Zivilisationsbruch des Holocaust und die SED-Diktatur in Frage zu stellen, geht es dabei um eine ge­sell­schaftliche Selbstvergewisserung über „Wesen und Wert der Demokratie“ (H. Kelsen), indem ihre ver­schie­denen und bis weit vor 1949 zurückreichenden historischen Wurzeln stärker ins Bewusstsein gerückt wer­den.

Dieses Bemühen schlägt sich bislang vor allem in einer ganzen Reihe von Vermittlungsprojekten, zi­vil­ge­sell­schaftlichen Initiativen, feuilletonistischen Debatten und Gedenkveranstaltungen nieder –aber nur we­nig in konkreter wissenschaftlicher Forschung, die sich explizit dem Thema „Demokratie­geschichte“ zu­ord­net. Wir möchten daher auf unserer Konferenz die Frage stellen, ob und wie ein Forschungsfeld „Demo­kra­tiegeschichte“ erschlossen werden kann. Ziel ist dabei auch die Etablierung eines „For­schungs­ver­bun­des Deutsche Demokratiegeschichte“, um Wissenschaftler_innen und andere Akteure, die in dem Feld ar­bei­ten, besser miteinander zu vernetzen und gemeinsame Forschungs­projekte zu entwickeln. Dies er­scheint umso wichtiger, als dass die laufenden gesellschaftlichen und politischen Debatten dringend einer wis­senschaftlichen Absicherung und Begleitung bedürfen.

Unter Demokratiegeschichte verstehen wir das historische Ringen um mehr Rechte und Freiheiten, um mehr Gleichheit und um mehr Partizipation. Dies kann sich zu jedem historischen Zeitpunkt sehr un­ter­schied­lich manifestieren, und schließt mögliche Rückschläge und Scheitern ein. Vielschichtige und ver­wo­bene historische Prozesse haben zu unserer heutigen liberal-demokratischen Ordnung und der sozialen De­mokratie geführt; selbstredend, ohne dass dies irgendeiner Teleologie folgte oder ein gesichertes und letz­tes Ende wäre. Daher gilt es, eine Genealogie bis zu diesem Punkt frei zu legen. Eine solche Genealogie der deutschen Demokratiegeschichte umfasst im Wesentlichen die Ent­stehung, den Kampf um und die Eta­blierung und Verteidigung der folgenden Elemente:

-          Grundrechtsschutz und Freiheitssicherung

-          Rechtsstaatlichkeit und Konstitutionalismus

-          Parlamentarismus, Wahlen und Parteien

-          Gleichberechtigung, Minderheitenschutz, Bürgerschaft

-          soziale Demokratie und Sozialstaatlichkeit

-          Föderalismus, Gemeindedemokratie und Subsidiaritätsprinzip

-          demokratische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft, Verbände und Pluralismus

Aufgrund dieses komplexen Prozesses ist uns ein interdisziplinärer Ansatz besonders wichtig. Denn ein mög­lichst differenziertes und kritisches Gesamtbild kann sich nur aus einer Vielzahl von Perspektiven und An­sätzen ergeben, die prinzipiell alle historisch arbeitenden Sozial-, Rechts- und Geistes­wissen­schaften bei­steuern können. In einem ersten Schritt möchten wir diesen Aspekt der Interdisziplinarität daher ins Zen­trum rücken und fragen, was einzelne (Teil-)Disziplinen und Ansätze für ein so verstandenes For­schungs­feld Demokratiegeschichte beisteuern können:

-          Welche Stellung nimmt das Thema Demokratiegeschichte im jeweiligen Fachbereich bislang ein? Wie ist der bisherige Kenntnis- und Forschungsstand? Welche zentralen Fragen mit demo­kra­tie­ge­schichtlicher Relevanz bestimmen die jeweiligen (aktuellen) Fachdebatten?

-          Welche thematischen Desiderata und welche Bereiche möglichen Erkenntnisgewinns liegen aus der jeweiligen Perspektive vor?

-          Welche Materialien, Quellen, Methoden und Fragestellungen kommen in Frage?

-          Wo sind besonders gewinnbringende Schnittmengen mit anderen Disziplinen und Ansätzen zu er­war­ten?

Die Vortragenden können und sollen dies gern anhand ihres persönlichen Forschungsfeldes oder -themas be­leuchten, dabei aber vor allem den Blick auf ihre Disziplin bzw. ihren Forschungsansatz weiten und deren po­tentiellen Beitrag für eine interdisziplinäre Demokratiegeschichte und zukünftige Forschung skizzieren.

 

Veranstalter:  

Forschungsverbund Demokratiegeschichte

c/o Forschungsstelle Weimarer Republik an der FSU Jena

www.weimarforschung.uni-jena.de

Weimarer Republik e.V.

www.weimarer-republik.net

Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte e.V.

www.gedg.org

 

Konferenzleitung:

Michael Dreyer (michael.dreyer@uni-jena)
Andreas Braune (andreas.braune@uni-jena.de)
Markus Lang (markus.lang@gedg.org)

Konferenzorganisation:
Tim Haas (tim.haas@uni-jena.de)

 

Die Konferenz wird live gestreamt unter: https://bit.ly/demokratiegeschichte

 

Eine Anmeldung zur aktiven Teilnahme in Präsenz oder digital (via Zoom) ist bis zum 15.2.2023 erforderlich: tim.haas@uni-jena.de

 

Programm

(zum Download als PDF)

Donnerstag, 23. Februar 2022

14:00-14:30 Uhr: Begrüßung & Einführung:

Michael Dreyer / Andreas Braune (Jena):
Was ist und zu welchem Ende erforscht man Demokratiegeschichte?

 

14:30-16:00 Uhr: 1. Sitzung: DG in der Geschichtswissenschaft I – Epochen

Leitung: Michael Dreyer (Jena)

Lars Behrisch (Utrecht)
Demokratiegeschichte in der Frühen Neuzeit? (vor 1789) 

Klaus Ries (Jena)
Demokratiegeschichte im Zeitalter des Konstitutionalismus (1789-1918)

Eckart Conze (Marburg)
Demokratiegeschichte im Zeitalter der Massendemokratie (ab 1914)


16:00 Uhr: Kaffeepause

 

16:30-18:00: 2. Sitzung: DG in der Geschichtswissenschaft II – Ansätze und Teilbereiche

Leitung: Nadine Rossol (Colchester)

Martin Sabrow (Potsdam)
Wer sind „Demokratinnen und Demokraten“? Biographische Ansätze in der Demokratiegeschichte

Kerstin Wolff (Kassel)
Geschlechtergeschichte als Querschnittsaufgabe der Demokratiegeschichte

Hedwig Richter (München)
Kultur-, emotions- und mentalitätsgeschichtliche Ansätze in der Demokratiegeschichte

 

19:00 Uhr: Öffentliche Abendveranstaltung & Preisverleihung:

Verleihung der Forschungspreise zur Politik, Geschichte und Kultur der Weimarer Republik 2023

Podiumsdiskussion: Forschen im Auftrag der Demokratie?
Demokratiegeschichte zwischen Geschichtspolitik und Wissenschaft

                                                                              mit:

Ute Daniel (Braunschweig)

Bettina Greiner (Lübeck)

Eckart Conze (Marburg)

Hans Walter Hütter (Düsseldorf)

 

Anschließend: Empfang


Freitag, 24. Februar 2022

9:00-11:00: 3. Sitzung: Forum der Preisträgerinnen und Preisträger 2023

Leitung: Andreas Braune (Jena)

Matthias-Erzberger-Preis:

Ben Gattermann (Oldenburg)
Paul Gmeiner: Macht, Opposition, Verfolgung Das Leben als Kommunist in Braunschweig 1918-1944

Emily Calcraft (Sheffield)
‘The Natural and the Unnatural’: Antisemitic Portrayals of Jewish Gender and Sexuality in Weimar Germany

Hugo-Preuß-Preis:

Julia Gehrke (Bonn)
Die geistige Zusammenarbeit im Völkerbund und die Gründung der Deutschen Kommission für geistige Zusammenarbeit

Philipp Winkler (Berlin)
Die Weimarer Republik als Ort der Demokratiegeschichte. Demokratiegedenken und Wandel von Erinnerungskultur am Beispiel des 100. Gründungsjubiläums der Weimarer Republik in Geschichtsschreibung, Geschichtspolitik und Geschichtskultur

Friedrich-Ebert-Preis:

Albert Dikovich (Wien)
Den Umbruch denken. Die mitteleuropäischen Revolutionen nach dem Ersten Weltkrieg und die Politik der Philosophie

Stefan Schubert (Freiburg i. Br.)
Von der militärischen zur politischen Heroisierung: Paul von Hindenburg und Philippe Pétain im Vergleich


11:00 Uhr: Kaffeepause


11:30-12:45 Uhr: 4. Sitzung: DG in der Geschichtswissenschaft III – Ansätze und Teilbereiche

Leitung: Walter Mühlhausen (Heidelberg)

Kirsten Heinsohn (Hamburg)
All democracy is local: Demokratiegeschichte aus regionaler & lokaler Perspektive

Frank Bösch (Potsdam)
Medien und Öffentlichkeit in der Demokratiegeschichte

 

12:45-14:00 Uhr: Mittagspause

 

14:00-16:00 Uhr: 5. Sitzung: Politikwissenschaft und Demokratiegeschichte
Leitung: N.N.

Michael Dreyer (Jena)
Genese politischer Normen und Institutionen

Wolfram Pyta (Stuttgart)
Parteien- und Parlamentsgeschichte

Jürgen Falter (Mainz)
Historische Wahlforschung

Marcus Llanque (Augsburg)
Politische Ideengeschichte als Demokratiegeschichte

 

16:00 Uhr: Kaffeepause

 

16:30-18:00 Uhr: 6. Sitzung: Kapitalismus, Ungleichheit, Sozialstaat in der DG

Leitung: N. N.

Ute Daniel (Braunschweig)
Ungleichheit und Demokratiegeschichte

Stefanie Middendorf (Jena) - (Entfällt)
Kapitalismus und Demokratiegeschichte

Eberhard Eichenhofer (Jena / Berlin)
Demokratie und sozialer Rechtsstaat

 

18:00 Uhr: Abendessen

 

Samstag, 25. Februar 2022

9:30-11:00 Uhr: 7. Sitzung: Sprachwissenschaft, Historische Bildungsforschung und Religionsgeschichte

Leitung: Birgitta Bader-Zaar (Wien)

Stefan Scholl (Mannheim)
Begriffs- und Sprachgeschichte der Demokratiegeschichte

Sylvia Kesper-Biermann (Hamburg)
Historischen Bildungsforschung und Demokratiegeschichte

Benedikt Brunner (Mainz) - (Entfällt)
Mehr Demokratie: Mit, ohne oder gegen die Religion?

 

11:00 Uhr: Kaffeepause

 

11:30-13:00 Uhr: 8. Sitzung & Abschlussdiskussion: Soziologie und politische Philosophie/ Ethik

Leitung: Markus Lang (Weimar)

Wolfgang Knöbl (Hamburg) - (Entfällt)
Modernisierung und Demokratisierung: ein demokratiegeschichtlicher Pfad? 

Bernd Ladwig (Berlin)
Gibt es einen moralischen Fortschritt in der Demokratiegeschichte?

 

13:00 Uhr: abschließender Mittagsimbiss

Zeitraum: Uhr - Uhr